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Volksmotion und -postulat - neue demokratische Rechte Kanton Bern

Der Kampf um die Erweiterung der demokratischen Rechte geht weiter. Der Grosse Rat lehnte im November 2017 das Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer mit 83 gegen 65 Stimmen ab. Nun sollen die Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons Bern mit 200 Unterschriften einen Volksvorstoss im Parlament einreichen können, der in der Folge wie ein gewöhnlicher Vorstoss vom Regierungsrat und im Grossen Rat behandelt wird.

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Im Kanton Bern hat die Bevölkerung derzeit drei Möglichkeiten, ihre Anliegen direkt in die Politik einzubringen: Entweder sie lanciert eine Volksinitiative (Art. 58 ff. KV), ergreift das Referendum (Art. 62 KV) oder reicht eine Petition (Art. 20 KV) ein.

Für die Einreichung einer Initiative im Kanton Bern mit rund 860'000 Stimmberechtigten (Ende 2016) müssen innert 6 Monaten 15'000 Unterschriften gesammelt werden, -eine hohe Hürde. Im Kanton Zürich mit rund 1'100'000 Stimmberechtigten (Ende 2016) hat man ebenfalls 6 Monate Zeit, braucht aber nur 6'000 Unterschriften. Im Kanton Aargau mit rund 700'000 Stimmberechtigten (Ende 2016) braucht man 3000 Unterschriften, die man in 12 Monaten sammeln kann.

Für das Referendum hat man im Kanton Bern gerade mal drei Monate Zeit, um 10'000 Unterschriften zu sammeln. Im Kanton Zürich werden 3000 Unterschriften in 60 Tagen verlangt und im Kanton Aargau 3000 Unterschriften in 90 Tagen. Dies zeigt, dass aufgrund der hohen Hürden die Partizipation der Bevölkerung im Kanton Bern eingeschränkt ist.

Hier kommt die Volksmotion zum Zug: 200 Stimmberechtigte können dem Parlament einen Volksvorstoss, d.h. eine Motion oder ein Postulat einreichen. In der Folge wird der Volksvorstoss behandelt wie ein gewöhnlicher parlamentarischer Vorstoss. Der Unterschied besteht darin, dass der Volksvorstoss nicht von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, Fraktionen oder Kommissionen eingereicht wird, sondern von einer bestimmten Anzahl von Kantonsbewohnerinnen und -Bewohner. Auch soll der Volksvorstoss von einem Vertreter der Unterzeichnenden im Rat vertreten werden, das Mikrofon wird also ausnahmsweise für Nachtparlamentarier geöffnet.

Die Volksmotion ist hierzulande kein Novum, hat sie sich doch schon seit einiger Zeit auf kantonaler und kommunaler Ebene etabliert. Im Kanton Schaffhausen beispielsweise kann das vor zehn Jahren eingeführte Partizipationsinstrument von mindestens 100 Stimmberechtigten (entspricht 0,13 Prozent der Bevölkerung) ergriffen werden, was etwa ein- bis zweimal pro Jahr geschieht. Dieses politische Recht kennen gleichfalls die Kantone Freiburg (300 Stimmberechtigte, 0,11 Prozent der Bevölkerung), Obwalden (1 Stimmberechtigter), Neuenburg (100, 0,06 Prozent) und Solothurn ("Volks-auftrag"; 100, 0,04 Prozent). Die Volksmotion findet sich auch in Gemeinden wie u. a. Gossau/SG (150, 0,84 Prozent), Kriens/LU (200, 0,76 Prozent), Luzern (100, 0,13 Prozent) Ostermundigen/BE (100, 0,65 Prozent), Uzwil/SG (150, 1,2 Prozent), Worb/BE (50, 0,44 Prozent) und Zollikofen (100 Unterschriften von Einwohnerinnen und Einwohnern ab 14 Jahren).

Das Quorum des Volksvorstosses soll im Kanton Bern tief, bei rund 200 Unterschriften festgelegt werden. Es soll in Relation zum Aufwand für den Sammler oder die Sammlerin bestimmt werden, damit nicht die Hürden für die politische Mitwirkung wiederaufgebaut werden und die Unterschriftensammlung für eine Einzelperson zu bewältigen ist. Die tiefe Anzahl Unterschriften lässt sich auch dadurch rechtfertigen, dass die Volksmotion und das Volkspostulat nicht etwa eine Volksabstimmung auslösen, sondern ganz einfach Eingang in die übliche parlamentarische Beratung finden.

Im Unterschied zur klassischen Volksmotion sollen alle Personen, die im Kanton Bern wohnen und das 14. Lebensjahr überschritten haben, unterschreiben dürfen. Die Bevölkerungsmotion trägt gleichzeitig zur Verbesserung der politischen Teilhabe der Stimmbevölkerung, der Migrantinnen und Migranten sowie der Jugendlichen bei.